Kompensation in der Debatte

Macht es Sinn, dass Privatpersonen, Organisationen und Unternehmen freiwillig ihre Treibhausgasemissionen ausgleichen? Die Klima-Kollekte fasst die jüngste Kritik für Sie zusammen und liefert Antworten auf wichtige Fragen.

Konkret greift die aktuelle Debatte eine Recherche der Medien Die Zeit, The Guardian und Source Material auf, in der die Wirksamkeit von Regenschutzprojekte des Zertifizierungsanbieters Verra genauer betrachtet wurde. Besonderes Augenmerk der Journalist:innen galt Zertifikaten, die für Projekte ausgestellt werden, welche die Abholzung von Wäldern verhindern sollen (sogenannte „avoided deforestation“). Waldbesitzer:innen verdienen in diesen Projekten daran, dass sie die Bäume stehen lassen, anstatt ihr Holz zu verwerten. Die Ergebnisse der Recherche legen nahe, dass mehr als 90 Prozent dieser Zertifikate kein CO2 eingespart haben. Nur bei einer Handvoll der von den Journalist:innen untersuchten Regenwaldprojekte konnte eine Verringerung der Abholzung nachgewiesen werden. Eine weitere Analyse ergab, dass 94 Prozent der untersuchten Verra-Zertifikate keinen Nutzen für das Klima hätten.

Bedeutet das nun, dass alle Kompensationsprojekte und -zertifikate wirkungslos sind?

Wälder sind wichtige Kohlenstoffspeicher. Der Erhaltung dieser Speicher kommt daher eine sehr große Bedeutung bei der Regulation des Klimas zu. Projekte, die Aufforstungen, Wiederaufforstungen oder die Vermeidung von Abholzung beinhalten, stehen jedoch öfter in der Kritik. Jegliche Nutzung der Waldressourcen muss nachhaltig sein, damit die Kapazität des Waldes als Kohlenstoffspeicher zumindest erhalten oder erhöht wird. Im Kontext von Kompensationsprojekten sind sie problematisch, da sie über sehr lange Zeiträume (> 100 Jahre) gesichert werden müssen und Projektfinanzierungen oft nur über ein paar Jahre gesichert sind. Außerdem dürfen bei Aufforstungsprojekten soziale und rechtliche Fragen (z.B. Landnutzungsrechte) nicht außer Acht gelassen werden, was nicht durch jeden Zertifizierungsanbieter überprüft wird.

Ob der Ausgleich über Kompensationsprojekte zum Klimaschutz beiträgt oder nicht, hängt davon ab, ob die Projekte tatsächlich zu Treibhausgasminderung führen. Am freiwilligen Kompensationsmarkt gibt es verschiedene Anbieter von Zertifizierungsstandards. Die drei am häufigsten angewandten Standards für die Zertifizierung von Kompensationsprojekten sind der Clean Development Mechanism (CDM) der Vereinten Nationen, der vom WWF entwickelte Gold Standard bzw. Gold Standard for the Global Goals (GS4GG) und der Verified Carbon Standard (VCS) von Verra. Die Projekte der Klima-Kollekte werden nach dem Gold Standard bzw. Gold Standard for the Global Goals (GS4GG) zertifiziert. Der Gold Standard gilt als der Standard mit den höchsten Ansprüchen. Um sich zertifizieren zu lassen, müssen die Bewerber:innen nicht nur den Auswahlprozess durchlaufen, sondern die CO2 Einsparungen werden zusätzlich alle paar Jahre von unabhängigen Dritten überprüft, bevor sie als Kompensationszertifikat vergeben werden dürfen. Und neben der zertifizierten CO2-Einsparung beinhalten Gold Standard Projekte auch den Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung vor Ort. Eine aktuelle Studie zum Thema „Entwicklungswirkungen von Projekten im freiwilligen Kohlenstoffmarkt“ der deutschen Stiftung Allianz für Klima und Entwicklung bestätigt diese positive Wirkung. Sie hat die unterschiedlichen Kompensationsstandards auf ihre Entwicklungswirkung vor Ort überprüft. Eindeutiges Ergebnis ist, dass Umwelt- und soziale Schutzmaßnahmen sowie die Einbindung der Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) am besten über eine Zertifizierung durch den Gold Standard sowie die Standardkombination von VCS + SD VISta gesichert ist.

Ist Kompensation generell sinnvoll für das Klima?

Die klare Antwort: jein. Die oberste Priorität für jedes Unternehmen und jede Einrichtung oder Organisation muss die Reduktion der eigenen Emissionen sein. Der Ausgleich bzw. die Kompensation von Treibhausgasen ist eine Maßnahme in einem breiten Bündel von Maßnahmen zur Erreichung internationaler Klimaschutzziele und kann nur in Ergänzung zu einer notwendigen CO2-Reduktion, Innovation und Verbreitung neuer Technologien und klimafreundlichen Verhaltensweisen sinnvoll sein.

Wer kompensieren will, sollte sich vorher fragen:

  • Ist die Kompensation wirklich meine einzige Option?
  • Wie kann ich meine Treibhausgasemissionen vorher vermeiden und reduzieren?
  • Berücksichtigen die Projekte über die ich ausgleichen möchte neben dem Klimaschutz auch andere Ziele für eine Nachhaltige Entwicklung?

 

Die gute Nachricht: Für viele unserer Aktivitäten gibt es klimafreundlichere Alternativen. Eine Übersicht haben wir in unseren CO2 Spartipps gesammelt. Manche lassen sich schnell umsetzen, wie etwa der Umstieg auf Ökostrom oder die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln statt mit dem Auto. Andere Maßnahmen, zum Beispiel der Einbau einer energiesparenden Heizung oder die Wärmedämmung eines Gebäudes, erfordern mehr Zeit und Geld. Es gibt jedoch einige Lebensbereiche, die leider noch nicht ohne Emissionen passieren können. Hier ist es durchaus sinnvoll, über hochwertige Projekte auszugleichen statt nichts zu tun. Wenn Menschen kompensieren, sollten sie darauf achten, dass sie den Ausgleich nicht „überkompensieren“, indem sie in anderen Bereichen mehr bzw. klimaschädlicher konsumieren. Wer zum Beispiel beim Fliegen kompensiert und deshalb mehr fliegt, schadet dem Klima natürlich mehr.

Freiwillige Kompensation von unvermeidbaren Emissionen kann zudem zur globalen Klimagerechtigkeit beitragen. Zum Beispiel werden mit den Ausgleichszahlungen Klimaschutzprojekte in Länder des globalen Südens umgesetzt, die neben der Schaffung von Arbeitsplätzen weitere positive Effekte z.B. im Bereich Gesundheit für die Menschen vor Ort haben und einen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten.

Filmtipp: Der Dokumentarfilm CO2 als Handelsware - Lösung oder Irrweg? von Peppo Wagner, ausgestrahlt am 30.11.2022 um 20:15 Uhr in 3sat, hat sich der Frage gewidmet, ob Kompensation helfen kann, die Klimakrise zu bewältigen? DenTrailer zum Film und weitere Infos finden Sie hier.

Ich möchte meine unvermeidbaren Emissionen kompensieren – worauf muss ich achten?

Für die Beurteilung von Kompensationsanbietern und ihren Angeboten sollten ein paar Kriterien für nachhaltige Kompensationsprojekte berücksichtigt werden, die sicherstellen, dass tatsächlich ein Ausgleich der entstandenen Emissionen in voller Höhe stattfindet und die Klimaschutzprojekte einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung vor Ort leisten. Denn gleicht eine Kompensation zwar Emissionen aus, hat aber auch schädliche soziale oder ökologische Auswirkungen, so wird aus dem Beitrag zum Klimaschutz schnell eine Ursache neuer Umwelt- und Entwicklungsprobleme.

Um als Unternehmen, Organisation, Verein oder Kirchengemeinde zu wissen, wo CO2 reduziert werden kann, kann außerdem eine Klimabilanz, auch CO2-Bilanz genannt, hilfreich sein. Dank der Bilanz sieht man schwarz auf weiß wie viele Emissionen an welcher Stelle anfallen und kann dann einen konkreten Plan erstellen, wo Einsparungen möglich sind oder welche wirklich unvermeidbar sind. Die Klima-Kollekte unterstützt hier gerne und bietet kostenlose Erstberatungen und nützliche Tools an.

Haben Sie noch Fragen, möchten gerne unsere Tools nutzen oder mit uns in Verbindung treten? Schreiben Sie uns einfach eine E-Mail an officedontospamme@gowaway.klima-kollekte.at

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Quellen:

https://www.source-material.org/vercompanies-carbon-offsetting-claims-inflated-methodologies-flawed/
https://www.zeit.de/2023/04/co2-zertifikate-betrug-emissionshandel-klimaschutz
https://www.theguardian.com/environment/2023/jan/18/revealed-forest-carbon-offsets-biggest-provider-worthless-verra-aoe
https://allianz-entwicklung-klima.de/wp-content/uploads/2022/07/2207_Entwicklungswirkungen.pdf
https://orf.at/stories/3303778/